Deutsche Sitzvolleyballer sind Vize-Europameister

Es endete immer wieder mit dem gleichen Ergebnis, wenn die deutsche Mannschaft in der Halle in Györ spielte. Schon in der Gruppenphase reihten sich die 3:0-Siege aneinander, nur die Niederlage gegen Bosnien (0:3) bildete hier die Ausnahme. In der K.o.-Runde knüpften die Spieler von Christoph Herzog nahtlos an die Vorrunde an und zeigten im Viertelfinale gegen Kroatien (3:0) sowie insbesondere im Halbfinale gegen die Ukraine (3:0) ihre Stärke. Der deutsche Lauf wurde erst im Endspiel gestoppt: vom bekannten Dauerrivalen.
„Immer wieder Bosnien – an deren Blockhöhe und der Wucht haben wir uns wieder die Zähne ausgebissen“, beschreibt Christoph Herzog das Spiel. Dabei waren die ersten beiden Sätze noch hart umkämpft und hätten mit etwas Glück auch an die deutsche Mannschaft gehen können. Bosnien machte jedoch etwas weniger Fehler und setzte sich schlussendlich mit 25:23 und 25:22 durch, bevor sie im letzten Satz mit 25:18 den Sack zumachten. Das Turnierfazit von Christoph Herzog fällt trotzdem klar positiv aus: „Wir haben beeindruckende Leistungen gezeigt und völlig zurecht Silber gewonnen.“ Es war die zweite Silbermedaille bei Europameisterschaften in Folge für die deutsche Mannschaft, 2023 hatte man im Finale ebenfalls knapp gegen Bosnien verloren.
Dabei war die Nationalauswahl noch mit einigen Fragezeichen in die EM gegangen. Mit Thomas Renger, Jürgen Schrapp und Francis Tonleu waren drei langjährige Säulen der deutschen Mannschaft zum ersten Mal nicht mehr bei einem großen Turnier dabei. Vor allem Jürgen Schrapp riss als siebenfacher Paralympics-Teilnehmer eine große Lücke in den Kader. Diese wurde allerdings mehr als zufriedenstellend von den anderen etablierten Spielern sowie von neuen, jungen Sportlern gefüllt. Mit Tim Linke (22 Jahre), Tom Wannemacher (21) und Karl Kruber (15) gaben drei Spieler ihr EM-Debüt und wurden viel in der Gruppenphase, aber auch bis ins Finale eingesetzt. Tim Linke gewann sogar den Preis für den besten Libero des Turniers. „Der eingeleitete Verjüngungsprozess im Team macht mich sehr happy. Generell ist das Mannschaftsgefüge sehr gut, es ziehen einfach alle super mit“, betont Christoph Herzog.
Der Einsatz und Wille stimmte ebenfalls bei der deutschen Frauen-Mannschaft, doch anders als bei den Männern reichte es nicht für das erklärte Ziel einer Medaille. Der Knackpunkt ist schon in der Gruppenphase, genauer im ersten Spiel, zu suchen. Die 0:3-Auftaktniederlage gegen die Niederlande verbaute die Chancen auf Platz zwei in der Gruppe, damit auf einen leichteren Gegner im Viertelfinale und schlussendlich auch auf eine Medaille. „Es ist sehr enttäuschend, wenn man sieht, was Platz zwei in unserer Gruppe bedeutet hat – nämlich das Finale“, ärgerte sich Cheftrainer Norman Thomas. Vor allem, da man die Niederlande noch vor knapp zwei Monaten in der Golden Nations League geschlagen hatte. Auch in Györ dominierte Deutschland zu großen Teilen das Spiel, am Ende kosteten die Nerven jedoch den Sieg. „Das Mentale ist ein großes Problem, das passiert uns immer wieder“, stellt Norman Thomas fest.
So wurden die Niederländerinnen hinter Italien Zweiter, die beiden Mannschaften trafen im Finale erneut aufeinander. Dort krönte sich Italien (3:0) zum Europameister, die Niederlande holte Silber. Deutschland traf als Gruppendritter dagegen bereits im Viertelfinale auf die Ukraine, die sich als zu stark für das deutsche Team erwies und später Bronze holte. Vor allem Antonina Zhuk war nicht zu stoppen und sorgte laut Thomas fast im Alleingang für den Sieg ihres Teams. Nach dem Ausscheiden im Viertelfinale ließ sich die Mannschaft jedoch nicht hängen, gewann die Platzierungsspiele gegen Polen (3:0) und Gastgeber Ungarn (3:0) souverän und sicherte sich so den fünften Platz.
Der Blick geht jetzt bei beiden Mannschaften nach vorne, vor allem in Hinblick auf die Paralympics 2028 in Los Angeles. Trotz unterschiedlichem Ausgang sind die Trainer mit der grundsätzlichen Entwicklung zufrieden. „Die Enttäuschung ist riesig, aber der Weg passt“, betont Norman Thomas. Mit seinem Team möchte der Cheftrainer – der erst vor einem halben Jahr die Mannschaft übernommen hatte – nun vor allem im Bereich Mentalität und Taktik arbeiten. „Wir fallen in Stresssituationen zu oft in alte Muster. Da müssen wir das, was wir im Training einarbeiten, auch im Spiel umgesetzt bekommen“, erklärt Thomas.
Dem Cheftrainer wird bei den kommenden Aufgaben aber nicht bange, wie er betont. Schließlich kommen mit Tanja Krosse und Michelle Schiffler noch zwei wichtige Spielerinnen zurück, die bei dieser EM gefehlt haben. Und auch Christoph Herzog blickt optimistisch in die Zukunft: „Letztlich sind es Kleinigkeiten, an denen wir arbeiten müssen. Das Turnier war eine Bestätigung, dass wir auf einem richtig guten Weg sind in Richtung LA 2028.“ Mit Blick auf den Europameister fügt er schmunzelnd hinzu: „Wir werden jünger, Bosnien wird älter – bald haben wir sie hoffentlich.“