Die Leiden der Laura L. - Nach ihrem Schlaganfall will die 18-Jährige in vier Wochen wieder trainieren!
Leverkusen - Am Sonntag hat Laura Ludwig mal wieder so richtig ablachen können. Die amerikanische Teenager-Komödie "Girls Club" - Ludwig: "echt witzig!"- ließ sie im Kino an der Seite ihrer Mutter ihr Schicksal für zwei fröhliche Stunden vergessen. "Mir geht es gut", sagt sie dem Abendblatt gestern Nachmittag, "sehr gut sogar." Allein die Blutverdünnungsmittel in ihrem Badezimmer erinnerten sie an ihre Krankheit. Morgen will die Abiturientin wieder in Leverkusen zur Schule gehen, "und darauf freue ich mich fast so wie damals auf meine Einschulung".
Elf Tage ist es her, als die hoch begabte Beachvolleyballerin, 2003 U-18-Weltmeisterin und in diesem Jahr Dritte der U-23-Europameisterschaft, aus ihrer natürlichen Unbekümmertheit gerissen wurde. Beim Strandtraining in Kiel-Schilksee mit ihrer Partnerin Sara Goller (20), ihrem Hamburger Coach Olaf Kortmann und Junioren-Bundestrainer Lennart Krapp spürte sie plötzlich ihren linken Arm nicht mehr. Als sie kurz danach in der linken Mundhälfte ein taubes Gefühl vernahm und sich nur noch lallend artikulieren konnte, alarmierte Kortmann den Notarzt. Der brachte sie in die Neurologie der Universitätsklinik Kiel. Die Diagnose kurz vor Mitternacht, sagt Laura Ludwig heute, "war ein Schock, ein Schlag, ich war wie von Sinnen." Die 18-Jährige hatte zwei kleinere und ein größeren Gehirninfarkt erlitten - einen leichten Schlaganfall.
Der Arzt konnte im Nachsatz Entwarnung geben. Sie werde keine Schäden zurückbehalten, sie werde wieder Sport treiben können, auch Leistungssport. In diesem Moment, erzählt sie, seien ihre Lebensgeister zurückgekehrt. "Alles wird gut, habe ich mir gesagt, und ich werde alles dafür tun." Wenn Laura Ludwig heute von diesen Stunden der Ungewissheit und Angst berichtet, lacht sie zwischendurch. Es ist ihre Art mit dem Unfassbaren umzugehen. "Es gibt keine Schlaganfälle in der Familie, die Ärzte kennen die Ursache meines Problems nicht." Klar ist, ein Blutgerinnsel hat sich irgendwo in ihrem Körper gelöst, ist in den Kopf gewandert und hat dort eine Hirnschlagader verstopft. Woher der Blutklumpen kam, darüber rätseln die Mediziner. Aus dem Herzen meinen die einen, aus der Schulter oder Halsschlagader andere.
In vier Wochen wird sich Deutschlands hoffnungsvollstes Beachvolleyballtalent dem nächsten Gesundheitscheck unterziehen. Danach soll feststehen, wann sie ins Training zurückkehren darf. Der Deutsche Volleyball-Verband (DVV) und Kortmann rechnen mit ihrer schnellen Genesung. "Laura und Sara gelten beim DVV als Perspektivteam für Olympia 2008 in Peking. Daran hat sich nichts geändert", sagt ihr Trainer.
Laura Ludwig hat in den vergangenen Tagen die Biografien anderer Leistungssportler studiert, die des Ringers Alexander Leipold oder des Volleyballers Ralph Bergmann, die nach einem Schlaganfall ihre internationalen Karrieren fortsetzen konnten. Die Beispiele machen ihr Mut. "Es waren für beide schmerzliche Episoden, sie haben aber zur alten Leistungsstärke zurückgefunden. Und vor allem: Sie hatten nie wieder ein ähnliches Problem."
Erstaunt hat die 18-Jährige während ihres achttägigen Krankenhausaufenthaltes in Kiel das große Interesse "an einer sportlichen Schülerin". Die TV-Reporter der privaten und öffentlich-rechtlichen Boulevard-Magazine drängten ständig auf Einlass in ihr Zimmer. "Als Sara und ich als jüngstes Team aller Zeiten im Juni ein Turnier der nationalen Beachserie gewonnen haben, standen keine Kameraleute vor meiner Tür. Ich musste erst einen Schlaganfall bekommen, damit sich das ändert", sagt sie und ist überrascht, wie wenig sie diese Tatsache erschrickt. Sie lacht - und fragt: "Wer ist hier krank? Ich oder die Gesellschaft?"
(Quelle: Rainer Grünberg/Hamburger Abendblatt)