DVV-Frauen: Kerstin Tzscherlich beendet Auswahl-Karriere

Ein Bild, das es nicht mehr geben wird: Kerstin Tzscherlich im Nationaltrikot.

Der Abschied war typisch für Kerstin Tzscherlich. Ganz still und heimlich hat sich die 34-Jährige im Sommer aus der Auswahl verabschiedet und ihren Rücktritt erklärt. Bereits nach der Olympia-Qualifikation in Ankara/Türkei, bei der die DVV-Auswahl den Sprung nach London 2012 verpasste, teilte die Defensivspezialistin ihren Entschluss dem Bundestrainer mit, kurze Zeit später ihren Mitspielerinnen. Bei „ihrem“ Dresdner SC schnürt die 373-fache Nationalspielerin aber weiterhin die Schuhe (ist aber derzeit verletzt).

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Foto eventolive.it: Zum Abschluss ihrer Karriere gewann Tzscherlich (2.v.l.) mit den DVV-Frauen EM-Silber.

Damit endet eine 16-jährige Karriere in der Nationalmannschaft, die mit zahlreichen Höhen und wenigen Tiefen versehen war. Tzscherlich gewann zwei EM-Medaillen (Bronze 2003, Silber 2011), nahm zweimal an Olympischen Spielen (2000 und 2004) und viermal an Weltmeisterschaften teil (1998 bis 2010) und wurde diverse Male als beste Annahme- oder Abwehrspielerin bzw. Libero ausgezeichnet. Für Bundestrainer Giovanni Guidetti ein enormer Verlust: „Ich werde sie vermissen und habe ihr schon diverse Male angeboten, mich an anderer Stelle zu unterstützen. Sie war eine der wichtigsten Personen im Team, unser Libero, unser Leader, unser Kapitän – einfach „unser Libero“.

Ihre Karriere in der Nationalmannschaft begann 1997 beim traditionellen Bremer Turnier als Mittelblockerin. Unter dem damaligen Bundestrainer Siegfried Köhler gab die damals blutjunge 18-Jährige ihr Debüt. Dass weitere 15 Jahre in der Auswahl folgten, verdankte die nur 1,79 Meter große Mittelblockerin aber einem anderen Umstand: der Einführung der Libero-Position. Und so war „Tzscherli“ 1998 die erste „freie Frau“ im National-Dress und erledigte ihre Sache ausgezeichnet. An ihr lag es definitiv nicht, dass bei der WM 1998 das Vorrunden-Aus durch ein 2:3 gegen die Dominikanische Republik besiegelt wurde. Ein schwerer Niederschlag für die deutsche Mannschaft, aber der Beginn einer phantastischen Karriere auf der neuen Position. Tzscherlich identifizierte sich vollkommen mit der reinen Defensivrolle und meinte vielsagend: „Ich spiele liebend gerne Annahme und Abwehr. Die Positionen am Netz machen mir längst nicht so viel Spaß. Das Rumgespringe fehlt mir überhaupt nicht."

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Foto FIVB: Für Bundestrainer Giovanni Guidetti die Spielerin mit der besten Annahmetechnik: Kerstin Tzscherlich.

Für Guidetti hatte Tzscherlich vor allem drei Qualitäten: „1) Sie hatte eine unglaubliche Annahmetechnik. Ich habe in meinem Leben keinen besseren Libero in der Annahme gesehen. 2) Sie liebt Volleyball, sie liebt Training, sie mag es, mit dem Team zusammen zu sein, zu reisen und Lehrgänge abzuhalten. Sie war ein Teil des Nationalteams. 3) Sie war stets ein Vorbild für alle: Disziplin, Professionalität, Charisma - und das alles auf einem sehr hohen Niveau.“

Angelina Hübner, die ebenfalls 1997 ihr Debüt in der Nationalmannschaft feierte und fast die gesamte Zeit an der Seite von Tzscherlich in der Auswahl miterlebte, meint: „Ich kenne Tzscherli schon seit der Jugend-Nationalmannschaft. Damals war sie noch Mittelblockerin und schafft auf dieser Position als erste von uns den Sprung in die Frauen-Nationalmannschaft. Aber als dann der Libero eingeführt wurde, konnte sie keiner mehr von dieser Position verdrängen. Ihre Ballkontrolle bei harten Angriffen ist Weltklasse und mit Ihrer Erfahrung ist sie häufig einen Schritt voraus. In der Annahme beneide ich sie um Ihre ruhigen Bewegungen. Ihre relativ großen Füße geben Ihr dabei wohl den richtigen Halt-;) Neben Ihr auf dem Feld zu stehen, gab mir immer Sicherheit. Zweimal Olympia und viele andere internationale Highlights - somit fast alle meine Länderspiele - haben wir zusammen gespielt, und jedes Mal gehörte Tzscherli auf Ihrer Position zu den Topspielerinnen. Und dennoch ist sie immer bescheiden geblieben. Die letzten Monate hatte ich das Glück, sie noch besser kennen zu lernen, da wir Oldies uns ein Zimmer teilten. Ohne viel zu reden, hatten wir ein sehr entspanntes Zusammenleben, wo auch mal mitten in der Nacht viel gelacht wurde. Der Gewinn der Silbermedaille in Belgrad war das letzte gemeinsame Highlight. Die erhoffte abschließende Olympiateilnahme wäre die Krönung einer tollen Karriere gewesen, doch ich glaube, Tzscherli kann auch so auf viele schöne Momente in der Nationalmannschaft zurückblicken und wird nicht nur wegen Ihrer Schuhgröße große Fußstapfen hinterlassen!“

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Foto privat: Fühlte sich im Kreis der Nationalmannschaft stets "pudelwohl": Kerstin Tzscherlich mit Angelina Hübner und Corina Ssuschke-Voigt (v.l.).

Auf den Erfolg mussten die DVV-Frauen um Tzscherlich auch nicht lange warten: 1999 gelang bei der EM in Italien ein überraschender vierter Platz, 2000 das „Wunder von Bremen“, als gegen die übermächtigen Kroatinnen der Sieg bei der Olympia-Qualifikation gelang. Auch in Sydney selbst spielte die deutsche Mannschaft stark, Platz sechs war das beste Abschneiden bei Olympischen Spielen nach der Wiedervereinigung und die drittbeste Platzierung in der Geschichte von deutschen Frauen-Nationalteams überhaupt. Dieser Erfolg sollte auch bei der Heim-WM 2002 erzielt werden, doch unter dem Erwartungsdruck spielte die deutsche Mannschaft unter Niveau und landete nur auf Platz zehn. Ihre „Nehmer-Qualitäten“ bewiesen Tzscherlich & Co aber nur ein Jahr später, als sie bei der EM in der Türkei die erste Medaille (Bronze) seit der Wiedervereinigung gewannen. 2004 folgte mit dem „Wunder von Baku“ die abermalige und vorerst letzte Olympia-Qualifikation. Bis zum heutigen Tag folgten weitere starke Platzierungen bei WM, EM und Grand Prix, aus der Mitspielerin Tzscherlich war längst eine „Anführerin“, eine „Mutti“ (wie sie selbst sagt) geworden. Ein Jahr vor ihrem Karriere-Ende in der Nationalmannschaft erlebte Tzscherlich den Höhepunkt ihrer Auswahl-Karriere, als sie mit den DVV-Frauen im „Hexenkessel von Belgrad“ die EM-Silbermedaille gewannen.

Keine Frage: Kerstin Tzscherlich hat das Spiel der DVV-Frauen über viele Jahre mit ihrer Qualität und Konstanz geprägt. Dabei war sie stets ein großer Sympathieträger, weil sie kein Typ der großen Töne war, sondern eine Spielerin, die lieber Taten sprechen ließ. „Sie hat nie viel gesagt, aber wenn dann war es ein Muss für alle Spielerinnen. Ich habe so viel von ihr gelernt und möchte ihr öffentlich danken. Nach dem Turnier in Ankara teilte sie mir mit, dass sie nicht mehr in der Nationalmannschaft spielt. Einen Monat später hat sie es dem Team mitgeteilt, alle haben geheult, und ich habe eine Dankesrede vor dem Team gehalten. Ich habe von Kerstin nicht nur über Annahme, Abwehr, Taktik gelernt, sondern vor allem über Teamspirit, -regeln, -rollen und -disziplin. Sie war die Seele unseres Teams“, so Guidetti vielsagend.

Kerstin Tzscherlich im Portrait

Morgen folgt ein Interview mit Kerstin Tzscherlich

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