DVV-Männer: „Einmal meine Spieler, immer meine Spieler!“

Foto CEV: Vital Heynen beim letzten Mal als Bundestrainer. Abschiedsbild mit den DVV-Männern. Foto CEV: Vital Heynen beim letzten Mal als Bundestrainer. Abschiedsbild mit den DVV-Männern. Anfang 2012 übernahm Vital Heynen die DVV-Männer und war bis zum 25. September 2016 für sie verantwortlich. In diesen knapp fünf Jahren führte der Belgier die deutsche Mannschaft in die absolute Weltspitze (bis auf Platz sieben der Weltrangliste), belegte Platz fünf bei den Olympischen Spielen 2012 und gewann u.a. WM-Bronze 2014 und Gold bei den European Games 2015. Zudem baute der Belgier eine enorme emotionale Bindung zu seinen Spielern auf, wie er auch im Interview verrät.

"Deutschland war ein Stück Gold von einem Kilogramm, und meine Aufgabe war es, aus diesem Gold eine schöne Skulptur zu machen. Ich glaube, das ist mir gelungen!"

Vital Heynen

Was ging in dir nach dem Matchball gegen Spanien vor?
Heynen: „Es waren nicht so große Emotionen wie im Januar in Berlin, damals war es für mich der Abschied! Ich habe weitergemacht, weil ich denke, dass ich die zweitbeste Lösung war. Es wäre besser gewesen, wenn schon ein neuer Trainer dagewesen wäre, aber so konnte ich der Mannschaft sicherlich nochmals helfen, weil ich die Spieler so gut kenne. Wir haben nicht nur die Qualifikation geschafft, sondern auf eine Art und Weise, dass die Spieler sagen: wir sind noch gut! Das beste Beispiel war das Spiel gegen Montenegro, das gute Spieler hat. Deutschland hat gute Spieler und eine gute Mannschaft und so klar gewonnen wie noch nie. Und auch die locker gewonnenen Trainingsspiele gegen Belgien und Niederlande haben den anderen Nationen gezeigt: Shit, Deutschland hat immer noch eine sehr gute Mannschaft, auch wenn einige große Namen fehlen, es bleibt eine sehr gute Mannschaft!“

Wie war es am Abend, als du dich von jedem einzelnen Spieler verabschiedet hast?
Heynen: Es war sehr schön, vor allem in der Kabine. Aber nicht so emotional wie bei der Olympia-Qualifikation in Berlin, als die Enttäuschung auch dabei war.“

Haben sich auch abwesende Mitstreiter wie Georg Grozer, Jochen Schöps oder Sebastian Schwarz gemeldet?
Heynen: „Ja, ohne dass ich Namen nennen möchte! Ich habe das Gefühl, dass ich mit allen Spielern und Mitstreitern einen schönen Abschluss gefunden habe, auch wenn sie jetzt nicht dabei waren. Ich gehe von allen mit einem sehr guten Gefühl weg.“

Es war deine erste Station als Nationaltrainer. Wie unterscheidet sich die Arbeit des Nationaltrainers von der des Vereinstrainers?
Heynen: „Ich habe immer gesagt, es gibt keinen Unterschied zwischen National- und Vereinstrainer. Jetzt kann ich sagen: Der große Unterschied ist, dass man fast fünf Jahre mit den gleichen Leuten arbeitet, im Verein gibt es mehrere Wechsel. Ich habe es manchmal als Problem gesehen, was kann ich den Jungs noch zeigen. Aber in den letzten Monaten habe ich gesehen, wie gut wir uns verstehen, wie gut wir zusammen arbeiten, ist das auch ein Vorteil. Die emotionale Bindung zwischen Trainer und Mannschaft ist gewachsen, auch noch in diesem Jahr. Die Mannschaft und der Chef-Trainer sind eine Einheit. Ob das bei jeder Nationalmannschaft so ist, weiß ich nicht, ich versuche es jetzt in Belgien. Sportlich war Deutschland für meine Trainergeschichte das schönste Erlebnis, und das hatte nicht nur mit den Ergebnissen, sondern auch mit der emotionalen Verbundenheit zu tun.“

Nachdem die Olympia-Teilnahme nicht geklappt hat, war der Abschluss mit der EM-Qualifikation versöhnlich! Wie wichtig war das für dich?
Heynen: „Wir haben in Berlin unseren besten Volleyball gespielt, hatten Matchball gegen den Weltmeister und gezeigt, dass wir Weltspitze sind. Die EM-Qualifikation hat das bestätigt! Der Unterschied zwischen Deutschland und der zweiten Reihe in Europa ist noch sehr, sehr groß. Das macht mich zufrieden, der neue Trainer weiß: er hat eine gute Mannschaft. Ich muss ehrlich sein: Deutschland heute ist besser als Belgien heute. Das ist für mich auch eine Herausforderung, dass die Mannschaft nicht so gut ist wie Deutschland!“

Was bleibt dir aus den knapp fünf Jahren in Erinnerung? Sowohl positiv als auch negativ?
Heynen: „Ich bin ein positiver Mensch, es bleibt viel Positives hängen! Das Negative bezieht sich eigentlich nur auf das Ergebnis der Olympia-Qualifikation 2016 und vielleicht die EM 2015 in Bulgarien, als wir das einzige Mal unser Ziel nicht erreicht haben. In den Wochen davor war es emotional sehr schwer, aber auch aus diesem Ereignis haben wir alle, Spieler und Trainer, gelernt. Ich gehe nur mit positiven Gedanken raus.“

Warum hat es so gut geklappt mit den DVV-Männern und Vital Heynen?
Heynen: „Das weiß ich nicht. Vielleicht weil es ein Mix ist, ich bin ein Verrückter, d.h. nicht durchschnittlich, nicht konservativ, ich ändere viel. Die Deutschen sind konservativ, unglaublich organisiert und wollen nichts ändern. Deutschland war ein Stück Gold von einem Kilogramm, und meine Aufgabe war es, aus diesem Gold eine schöne Skulptur zu machen. Ich glaube, das ist mir gelungen, auch wenn es manchmal harte Arbeit war! Die Spieler haben verstanden, dass ich das gemacht habe mit der Idee, um ihnen zu helfen. Das ist das Beste überhaupt, dass es mir gelungen ist, die Spieler davon zu überzeugen.“

Zukünftige Duelle mit Deutschland sind möglich, sogar wahrscheinlich. Werden es normale Spiele für dich sein?
Heynen: „Ich habe es schon den Jungs gesagt: Ich will nicht gegen Deutschland spielen, auch weil ich weiß, wie gut Deutschland ist. Mein letzter Satz in der Besprechung war: „Einmal meine Spieler, immer meine Spieler“. Das heißt, dass bei einem Spiel von Belgien gegen Deutschland meine beiden Teams gegeneinander spielen. Ich weiß nicht, wie ich darauf reagiere. Das wird nicht einfach für mich sein, ich werde auf jeden Fall verlieren.“

Wer kennt wen besser? Das Team dich oder du das Team?
Heynen: „Das weiß ich nicht. Beide Seiten kennen sich sehr gut. Sie wissen, wie ich über sie denke, ich weiß, wie sie ticken. Beispielsweise gibt es keine Regeln in der Nationalmannschaft. Es läuft wie zu Hause: Die Kinder kennen das Konzept von Mutter und Vater und handeln danach. Es ist eine Gruppe, von der ich lerne und umgekehrt. Zum Beispiel Ernährung: Die Hälfte der Mannschaft und auch der Trainer haben ihre Ernährung umgestellt – die Idee kam von den Spielern in meine Richtung! Es hat mich überrascht, wie gut das noch in diesem Jahr lief, wir haben uns noch besser ausgetauscht. Ich habe oft Kaliberda und Kampa meine Trainer genannt, weil sie wissen, wie es läuft und können das Spielkonzept auf die anderen übertragen. Das war sehr schön im letzten Spiel gegen Spanien zu sehen, als unser „Baby-Team“ Spanien eins im vierten Satz weggespielt hat.“

Heynen kann sich ein erneutes Engagement absolut vorstellen

Es gibt noch keinen Nachfolger für dich. Wie sollte der neue Mann/die neue Frau sein? Was muss er/sie können?
Heynen: „Mein Nachfolger sollte nicht so sein wie ich. Es sollten neue Einflüsse kommen, aber es wird sehr schwer sein. Ich weiß, dass der Verband Kritik erhält, weil es noch keinen neuen Bundestrainer gibt, aber ich kann es ein Stück weit verstehen. Nicht, weil ich denke, dass ich so gut war, sondern wenn ich mir ansehe, wie die Beziehung zu mir ist, dann wird der Neue eine riesige Aufgabe haben, menschlich eine solche Beziehung aufzubauen. Das wird das Wichtigste sein.“

Bist du in die Suche mit eingebunden? Wirst du um Rat gefragt, auch wenn du ein zukünftiger Konkurrent bist?
Heynen: „Nein! Das ist auch in Ordnung. Aber die Spieler haben meine Telefonnummer und können mich immer anrufen, heute, in einem Jahr oder in zehn Jahren. Das gleiche gilt für den Verband, meine Beziehung zum Präsidenten Thomas Krohne ist sehr gut. Ich schätze ihn sehr hoch ein, auch wenn wir nicht immer einer Meinung waren, aber die Art und Weise der Arbeit passte zusammen. Wenn jemand anruft, dann helfe ich immer gerne. In diesen Denkprozess sollten aber eher Spieler und Betreuer eingebunden sein, die Entscheidung muss dann der Verband treffen.“

Könntest du dir vorstellen, in vier Jahren wieder Bundestrainer zu werden?
Heynen: „Absolut! Wenn man geht, ohne ein Problem oder Streit zu haben, dann hat man gute Arbeit gemacht. Vier Jahre sind im Sport eine sehr lange Zeit, es kann sehr viel passieren, aber im Prinzip auf jeden Fall. Und wegen meiner Zeit bei der Nationalmannschaft bin ich heute Trainer in Friedrichshafen, weil ich so gerne mit deutschen Spielern zusammenarbeite.“

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