Alles ein bisschen anders

Foto Dirk Westphal Foto Dirk Westphal Dirk Westphal ist der erste deutsche Profi, der vor der Saison den Sprung in den Iran gewagt und für mindestens eine Saison bei Shahrdari Tabriz unterschrieben hat. In seinem Blog berichtet er in regelmäßigen Abständen auf unserer Seite von seinem Leben in einem unbekannten Land. Im zweiten Teil kämpft er mit einfachen Sprachproblemen und einem riesigen Staff, der fast mehr Mitarbeiter als Spieler umfasst.

Unsere Turnhalle ist ein unscheinbares, sandsteinfarbenes Gebäude mit Spitzdach. So wie fast alle Gebäude hier in der Stadt. Von außen mag man kaum vermuten, dass sich dort die Spielstätte einer der besten Volleyballmannschaften des Landes befindet. Es ist mein erstes Training und ich bin gespannt, was mich drinnen erwartet. Die Halle wirkt ein bisschen düster mit einem 70er-Jahre-Charme. Die Netzanlage besteht aus zwei gusseisernen Pfeilern und das Netz hat auch schon bessere Tage gesehen. Die Halle ist gut gefüllt. Knapp 50 Leute warten gespannt auf unser Training. Meine Mannschaft zieht sich derweil schon auf der Tribüne um. Ich begrüße alle mit einem freundlichen Lächeln und stelle mich als „Dirk“ vor.

„Drik“, erwidert es mir sehr häufig

„No, Dirk“, versuche ich zu korrigieren und spreche besonders langsam.

„Ahh, Derek“, versuchen es meine Mitspieler erneut.

„Diiiirrrkkk“, sage ich und mache eine Wurfbewegung, wie die eines Basketballspielers und verweise auf Dirk Nowitzki.

Foto Dirk Westphal: Getränke gibt es natürlich nur ohne Alkohol 

Ich blicke in verwunderte Augen und ernte nur ein zustimmendes Kopfnicken. Ich belasse es dabei und sehe in den Gesichtern meiner Mitspieler leichte Überforderung. Ich stelle mich aber auch nicht besser an. Ich versuche zwar mir jeden einzelnen Namen, mit dem zugehörigen Gesicht, zu merken, aber in der Kürze der Zeit ist die Menge der Informationen zu groß. Ich merke mir den Namen Hassan und das passende Gesicht, was mir relativ leicht fällt, da Hassan keine Haare mehr auf dem Kopf hat, dafür aber einen sehr imposanten Bart. Zusammen mit meinem anderen „Mohikaner“ Milan Rasic aus Serbien, der hier von den Mitspielern auch nur „Ranjit“ genannt wird, weil das so ähnlich klingt wie Rasic, habe ich jetzt immerhin zwei Fixpunkte, an die ich mich halten kann. Trotz der sprachlichen Schwierigkeit werde ich sehr herzlich von allen empfangen.

Bevor das Training beginnt, stellen wir uns an der Grundlinie auf. Die Trainer stehen uns Face-to-Face gegenüber. Den obligatorischen Mannschaftskreis, so wie wir ihn in Europa kennen, gibt es hier nicht. Was gleich auffällt, ist die Anzahl unseres Staffs. Ich lasse mir später erklären, dass wir einen Head-Coach haben, der aber nicht viel zu entscheiden hat, sondern repräsentative Aufgaben wahrnimmt, einen ersten Assistent-Coach, der eigentlich der Head-Coach ist, einen zweiten Assistent-Coach, der eigentlich der erste Assistent-Coach ist, einen Coach für die Jugendspieler, einen Coach, der gerade zum Trainier ausgebildet wird, einen Fitnesscoach, der aber auch viel ins Training mit einbringt und manchmal den Eindruck erweckt, als wäre er eigentlich der Head-Coach, einen Scout, einen Assistenten vom Scout, einen Teammanager, einen Physiotherapeuten und einer, der sich um die kleinen Dinge rund um die Mannschaft kümmert.

 Foto Dirk Westphal: Mit einigen Mitspielern hat er schon die Stadt Tabriz erkundet

Ich finde, dass das ein bisschen übertrieben ist, aber scheinbar ist es hier alles ein bisschen anders. Wie sich später herausstellt, sind die meisten Mitglieder unseres Staffs nur dabei, weil sie jemanden kennen, der jemanden kennt, der im Verein was zu sagen hat und ihnen so einen Job verschaffen konnte. So ein bisschen wie eine ABM-Maßnahme auf iranisch.

Aber auch auf Spielerseite weisen wir ein gewisses Mehrangebot auf. Ich zähle 18 Spieler. Ich frage mich, wie genau wir es organisatorisch schaffen wollen, alle Spieler ins Training einzubinden in einer Halle, in die genau ein Feld passt. Es wird schnell klar, dass vier Spieler nur zum Aufwärmen und einsammeln der Bälle gekommen sind. Am Ende des Trainings gibt es immer ein Stück Kuchen, was ich sehr begrüße. Tja, alles ein bisschen anders.

Liebe Grüße

Euer Dirk

Funfact: Im Iran werden weltweit die meisten Nasenoperationen durchgeführt, meist aus ästhetischen Gründen. Selbst Monate nach der Operation behalten viele Iraner (auch viele Männer) den Verband an der Nase. Es ist ein Statussymbol und erweckt den Anschein vermögend zu sein. Viele weniger gut betuchte, meist jugendliche Iraner/-innen, kleben sich einen Verband an die Nase ohne jedoch eine Operation gehabt zu haben, um im Freundeskreis mehr Aufmerksamkeit zu erhalten.

Noch mehr Fotos und Videos liefert Dirk auf seiner Instagram-Seite: westphal_fc

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