Drei Bundestrainer im Interview

Foto DVV: Martin Frydnes (rehts) und Jens Tietböhl äußerten sich zur Situation im weiblichen Nachwuchsbereich. Foto DVV: Martin Frydnes (rehts) und Jens Tietböhl äußerten sich zur Situation im weiblichen Nachwuchsbereich. In den ersten zwei Januar-Wochen standen die Nachwuchsteams des DVV im Fokus: Die WM-Qualifikationen (U20(U21) und EM-Qualifikationen (U18/U19) wurden gespielt und sahen drei deutsche Siegerteams sowie einen ganz bitteren Verlierer (U19). Wir fragten bei den Bundestrainern Jens Tietböhl (U18 weiblich), Martin Frydnes (U20 weiblich) und Johan Verstappen (U21 männlich) nach. Bundestrainer Matus Kalny (U19 männlich) stand leider nicht zur Verfügung, da er mit Fieber im Bett liegt.

"Wir haben alle eine sehr große Motivation, auch in der zweiten Runde zu gewinnen, um nach 2009 mal wieder ein deutsches Team bei einer U20-Weltmeisterschaft zu haben.“

Martin Frydnes (Bundestrainer U20)

Die Qualifikationen für die WM und EM sind gespielt. Wie fällt euer Fazit für das Turnier und eure Mannschaft aus?

Verstappen: „Wir sind froh, dass wir wieder weiter planen können und wieder mehr Wettkämpfe gegen gute Gegner haben. Wir waren in der Qualifikation deutlich die beste Mannschaft und das ist eine positive Rückmeldung, dass wir so weiter arbeiten müssen. Dies alles ist wichtig für die weitere Ausbildung des deutschen Nachwuchses.“
Tietböhl: „Wir haben uns qualifiziert, das war das große Ziel des gesamten Teams. Jetzt haben die Spielerinnen mit der Europameisterschaft einen internationalen hochwertigen Wettkampf, was sehr wertvoll für die weitere individuelle Entwicklung sein wird. Unsere Gruppengegner Spanien und Ungarn haben uns alles abverlangt, gegen Dänemark war es relativ einfach zu gewinnen.“
Frydnes: „Wir sind sehr zufrieden mit drei klaren Siegen. Es waren überschaubare Gegner, wir wurden wenig gefordert. Jetzt planen wir eine perfekte Vorbereitung für die zweite Runde mit Polen, Belgien und Bulgarien.“

Wie wichtig waren die Turniersiege und die Qualifikation für die nächste Runde bzw. die EM?

Verstappen: „Jetzt kämpfen wir mit Belgien, Lettland und Polen in einer Gruppe um den WM-Platz. Das sind drei verschiedene Spielstile mit Polen als Hammergegner. Es wird interessant zu sehen sein, ob wir uns bis dahin noch weiter entwickeln können, um bei der U21-WM zu spielen. Das wird keine leichte Aufgabe.“
Tietböhl: „Ein internationales Turnier zu gewinnen ist immer etwas Besonderes. Man ist im Ausland, spielt vor vielen Zuschauern, die Nationalhymnen laufen, es gibt eine große Wertschätzung für die Spieler und das sportliche Level ist hoch. Unsere Mädchen werden von diesen Erfahrungen viel profitieren, das Wissen auch in ihre Heimatvereine transportieren. Damit wird auch das nationale Niveau verbessert. Bis zur EM bleibt nicht viel Zeit, in acht Wochen treffen wir uns bereits wieder zur Vorbereitung.“
Frydnes: „Für mich war es sehr wichtig beim ersten internationalen Auftreten mit meiner Mannschaft, alle Spielerinnen gut kennenzulernen und gleich erfolgreich zu sein. Wir haben alle eine sehr große Motivation, auch in der zweiten Runde zu gewinnen, um nach 2009 mal wieder ein deutsches Team bei einer U20-Weltmeisterschaft zu haben.“

"Herausragend in unseren deutschen Nachwuchsteams sind immer Teamspirit und Organisation.“

Jens Tietböhl (Bundestrainer U18)

Allgemein gefragt: Wie seht ihr die Lage im deutschen Nachwuchs? (Verstappen männlich und Tietböhl/Frydnes weiblich)

Verstappen: „Ich finde, dass Landestrainer und Bundestrainer gute Arbeit leisten. Es gibt noch genügend Talente in Deutschland, und ich sehe, dass wir im athletischen Bereich vorankommen und zur Spitze wie Polen oder Italien anschließen. Es freut mich, dass junge Spieler bereit sind, an die Bundesstützpunkte zu wechseln, um unter besten Voraussetzungen zu trainieren. Es herrscht Verständnis vor, dass es ein langer Weg ist, um an die Spitze zu kommen und dort zu bleiben. Das geht nur, wenn in allen Bereichen gut zusammen gearbeitet wird. Ich denke, Spieler wie Jan Zimmerman, Moritz Reichert oder Tobias Krick (alle United Volleys Rhein-Main, Anm. d. Red.) sind gute Beispiele dafür, dass sich Investitionen lohnen und wie eine gute Karriere-Planung aussieht. Aber auch in den Jahrgängen 97/98 und 99/00 werde gute Spielern rauskommen, die in der 1. Bundesliga spielen können und das Potenzial haben, die Nationalmannschaft zu erreichen.“
Tietböhl/Frydnes: „Bei den Mädchen haben wir im Moment eine sehr gute Talentlage. Das aktuelle U20-Team  steht vor dem Sprung zur WM, war erfolgreich in den letzten Jahren bei EM U18/19 und WM U18. Es gibt viele Spielerinnen, die an die Tür zur Frauen-Nationalmannschaft klopfen, und auch im aktuellen Erstligaprojekt mit dem VCO Berlin gibt es vielversprechende Leistungen/Entwicklungen bzw. Resultate. Auch in den Jahrgängen U18 (00/01) und U16 (02/03) tummeln sich eine Vielzahl hoffnungsvoller Talente. Wir wünschen uns von den Spielerinnen noch mehr Mut und Ehrgeiz, sich für eine sportliche und schulische Ausbildung an unsere fünf Top-Leistungszentren in Dresden/Schwerin/Berlin/Münster/Stuttgart zu entscheiden. Hier gibt es in der Wechselbereitschaft noch deutliche Reserven.“

Gibt es die typischen deutschen Tugenden im Volleyball? Wenn ja, was sind diese?

Verstappen: „Deutsche Spieler sind stärker geworden, auch der Persönlichkeitsentwicklung. Es ist wichtig, dass Team wie VC Olympia Berlin oder das Volleyball-Internat Frankfurt schon gut in der 2. Bundesliga mitspielen, wo die Spieler zeigen, dass sie gewinnen wollen und sich gut entwickeln gegen Erwachsenenteams. Trainer und Spieler sehen, dass nicht nur gute Technik reicht, um an die Spitze zu kommen. Ich bin begeistert, wie die typische deutsche Kämpfermentalität in Wettkämpfen gezeigt wird. Und so muss es sein, dass sich deutsche Teams nie geschlagen geben und wir im männlichen Bereich in der Welt- und Europa-Rangliste weiter klettern. Spieltechnisch sehe ich, dass wir die Tendenzen im heutigen Volleyball mit Geschwindigkeit und taktischen Spielsituationen mitgehen. Das bedeutet, die Spieler wieder breiter auszubilden!“
Tietböhl: „Unsere deutschen Volleyball-Talente werden genauso erwachsen wie die Mädchen in z.B. Italien, Brasilien oder China. In allen Nationen gibt es starke Spielerinnen, viele trainieren fleißig an einer großen Volleyball-Laufbahn. Unsere deutsche "Trainings-Tugend" ist aber noch viel zu verhalten, viel zu vorsichtig, viele Mädchen trauen sich viel zu wenig zu, mehr und qualitativer für diesen schönen Sport zu investieren, obwohl das sportliche Potenzial exzellent ist. Aus diesem Grund haben wir immer technische und athletische Rückstände, um in Europa ganz vorne mitzuspielen sowie Top-Spielerinnen schneller an das Bundesliganiveau heranzuführen. Herausragend in unseren deutschen Nachwuchsteams sind immer Teamspirit und Organisation.“
Frydnes: „Wir müssen es schaffen, mit unseren sehr guten sportlichen Bedingungen, die Spielerinnen noch besser auszubilden und den Fokus der Athleten mehr auf Leistungssport und Professionalität zu legen.“ 

"Nur gemeinsam geht es und dann wird Volleyball in Deutschland in seiner Gesamtheit besser."

Johan Verstappen (U21 Bundestrainer)

Woran muss für die nahe und ferne Zukunft gearbeitet werden? Wo haben eure aktuellen Mannschaften noch die größten Defizite?

Verstappen: „Wir müssen viel gegen andere Länder spielen, um up-to-date zu bleiben und zu sehen, was im modernen Volleyball passiert. Die Anerkennung aller Trainer und Beteiligten ist wichtig, genauso wie gegenseitiger Respekt und Kommunikation. Dies alles mit der guten Unterstützung durch den DVV – Sportdirektor und Männer-Bundestrainer – und knallharter Arbeit, damit wir in jedem Bereich zu den Besten gehören. Nur gemeinsam geht es und dann wird Volleyball in Deutschland in seiner Gesamtheit besser. Wir müssen zusammen arbeiten, da die verschiedenen Schulsysteme in den Bundesländern noch zu unterschiedlich sind und manchmal Spieler deshalb nicht zum Stützpunkt wechseln. Da muss man dranbleiben, damit die besten Spieler so viel wie möglich gemeinsam trainieren.“
Tietböhl: „Wir müssen unsere Annahmequalität deutlich verbessern. Das wird ein großer Schwerpunkt werden. Auch das Lösen von einfachen Spielsituationen hat noch Defizite.“
Frydnes: „Wir brauchen ebenfalls einen stabilen Sideout. Auch die Aufschlagqualität ist sehr wichtig. Aber langfristig muss sich bis zur WM unser Block-Feldabwehrspiel deutlich verbessern.“

Foto Corinna Seibert: Johan Verstappen jubelt mit seiner U21.
Foto Corinna Seibert: Johan Verstappen jubelt mit seiner U21.
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