Snow-Volleyball in der Halle

Ein Tiefdruckgebiet hatte die kleine iranische Stadt Amol am Kaspischen Meer voll im Griff. Es war der heftigste Kälteeinbruch in den letzten 20 Jahren und genau in dieser Zeit hatten wir dort ein Auswärtsspiel. Gestartet sind wir noch bei schönstem Sonnenschein in Tabriz und keine acht Stunden und 800 km später erreichten wir unser Ziel im dichten Schneetreiben. Schnee ist hier ein eher seltener Gast. Natürlich gibt es Schnee in dieser Region, aber eigentlich nur im ca. 20 km südlichem Elburs-Gebirge mit Gipfeln die locker die 5000m Marke knacken. Im Flachland am Kaspischen Meer kennt man eigentlich nur Sonne und Urlaub.
Foto Dirk Westphal: ein seltener Anblick im iranischen Flachland: Schnee
Dass für die Menschen hier Schnee eher etwas Ungewöhnliches ist, merkte man auch ganz besonders daran, dass in der Halle nur sporadische, stark veraltete Heizkörper angebracht waren. Der kleine Heizstab der Elektroheizung flackerte nur ganz leicht auf und schenkte uns bedingt Wärme. Das Thermometer zeigte aber trotzdem immerhin stolze zwei Grad Celsius an. An Volleyball war bei diesen Bedingungen gar nicht zu denken. Nach einer kurzen Beratung zwischen Schiedsgericht und den beiden Trainern einigte man sich einvernehmlich, dass das Spiel trotzdem stattfinden wird.
Voller Entsetzen blickte ich zu meinen Mitspielern, die, anderes als ich, völlig gefasst wirkten und damit wahrscheinlich schon gerechnet hatten. Auf meine fragenden Blicke bekam ich nur die Antwort: „This is not Europe!“. Um gleich danach erschreckend festzustellen, wie mein Atem vor mir kondensierte. Die Tatsache, dass drei der vier Linienrichter auch nicht da waren und noch 30 km vor Amol im Stau standen, kümmerte auch keinen.
Es kommt also wie es kommen musste und wir machten uns an die Erwärmung. Kurz bevor wir ans Einschlagen gingen, brach zu allem Überfluss der Strom zusammen und in der Halle war es plötzlich stockduster. Unter den ganzen Schneemassen, so erfahren wir später, war die ganze Stromversorgung in der Stadt zusammen gebrochen. Es herrschte eine riesige Aufregung in der Halle. Eine komische Kombination aus wild flackernden Smartphonelichtern und wild durcheinander redenden Menschen machte sich auf dem Spielfeld breit. Alle redeten, doch keiner wusste, was passiert war und alles wirkte irgendwie planlos. Erst hieß es, es geht in 10 Minuten weiter, dann 20, dann 30. Ich versuchte herauszufinden, ob man dabei europäische oder iranische Minuten meinte und merkte, dass es wohl iranische waren, weil es nach gut einer Stunde immer noch dunkel blieb.
Foto Dirk Westphal: Dunkelstunde in der Halle
Dann stand endlich fest, dass das Spiel abgesagt wurde. Man stellte uns vor die Wahl, es am nächsten Tag noch einmal zu versuchen oder das Spiel auf einen anderen Zeitpunkt zu verlegen. Schnell waren wir uns alle einig, dass wir nochmal wiederkommen wollen, wenn alles ein bisschen wärmer und organisierter ist. Die Trainer sind zwar anderer Meinung und wollen es nochmal versuchen, doch nach einer heftigen Debatte zwischen Spielern und Staff stiegen wir endgültig ungeduscht in den Bus und machten uns auf die Rückreise nach Teheran, um von dort nach Tabriz zu fliegen.
Wer denkt, die Geschichte und das Chaos waren an dieser Stelle zu Ende, der irrt. Was auf der Rückreise noch so alles passierte, erfahrt ihr am nächsten Mittwoch im zweiten Teil.
Euer Dirk
Funfact: Hier im Iran schreiben wir das Jahr 1395 nach islamischer Zeitrechnung. Das Kalenderjahr hat nur 354 Tage und ist somit 11 Tage kürzer als das Jahr nach dem christlichen Kalender. Am 3. Januar 20.874 werden erstmals der islamische und der christliche Kalender dieselbe Jahreszahl haben.