Unsere Olympioniken: Georg Grozer – der Opa mit dem lodernden Feuer
Foto: volleyballworld Für die deutsche Männer-Nationalmannschaft steht das absolute Saisonhighlight an: Die Olympischen Spiele. 13 Spieler kämpfen in Paris um Edelmetall für Deutschland. Wir stellen jeden einzelnen in unserer Serie „Unsere Olympioniken“ vor, zeigen ihren Weg nach Paris und blicken hinter die Volleyballer-Fassade. Als nächstes: Georg Grozer.Der Name Grozer ist aus dem deutschen Volleyball nicht mehr wegzudenken. Schon Georg Grozer Senior war eine Legende, sein Sohn steht ihm in keiner Weise nach und auch dessen Kinder Leana und Loreen Grozer setzen diese Tradition fort. „Die ganze Familie ist volleyballverrückt“, beschreibt es Georg Grozer, der „automatisch“ zum Volleyball kam, weil neben seinem Vater auch seine Mutter, sein älterer Bruder und seine Tante den Ball über das Netz schmetterten – und das mit der typischen Schlaghärte der Grozers, vor der sich jeder Gegner fürchtet.
Die Ambitionen von Georg Grozer waren von Anfang an hoch: „Mein Ziel war immer die Nationalmannschaft, aber ich habe erst wirklich spät begriffen, was für ein Potenzial ich habe und was ich erreichen kann.“ Als ihm das bewusst wurde, träumte er von Olympia und wollte „einer der besten Spieler der Welt“ werden. Und das hat er eindrucksvoll geschafft: Champions-League-Sieger, Klubweltmeister, Meister in Ungarn, Deutschland, Polen, Russland und China, Olympia-Fünfter, WM-Dritter, Vizeeuropameister sowie sechsmal Deutschlands „Volleyballer des Jahres“.
Trotz der vielen Erfolge in mehr als 20 Jahren Profisport ist Olympia für den mittlerweile 39-Jährigen immer noch das Größte: „Wir haben zwölf Jahre hart dafür gearbeitet und mussten große Enttäuschungen verkraften, daher bedeutet Paris jetzt umso mehr, vor allem für mich, weil es meine letzte Möglichkeit sein wird.“ Für jeden Sportler sei Olympia „dieser eine besondere Ort“, wo sich „alle göttlichen Sportler“ messen. „Dieses Gefühl ist einfach unbeschreiblich, ich bin sehr glücklich, nochmal teilnehmen zu können“, sagt Grozer, der bereits bei der letzten Olympia-Teilnahme der DVV-Männer 2012 in London dabei war.
Von diesen Erfahrungen profitiert er nun. „Wenn du weißt, dass du zu Olympia fährst, bist du aufgeregt und mit Glücksgefühlen vollgepumpt“, berichtet der Diagonalangreifer. Nach den ersten Tagen kommt dann die Anspannung, jeder ist sehr fokussiert. Seine Kollegen könne er darauf aber nicht vorbereiten: „Du kannst das nicht erklären, es ist so besonders“, sagt Grozer, der diesmal alles doppelt genießen und draus Energie schöpfen will.
Dass er jetzt noch einmal bei Olympia aufläuft, war nicht abzusehen. Schon mehrfach hat der „Hammerschorsch“ seine Karriere in der Nationalmannschaft beendet. „Aus Frust. Aus Enttäuschung“, sagt Grozer, der sich selbst als sehr emotionalen Menschen beschreibt. Als sie 2016 und 2020 ganz knapp die Qualifikation verpassten, war der Schmerz groß. „Du arbeitest acht Jahre extrem hart, das tut dann einfach so weh, dass du von allem eine Pause brauchst“, sagt der 39-Jährige, der seit seiner Kindheit den Druck, der mit seinem Namen und seinem Talent verbunden ist, verspürt: „Ich habe immer die Verantwortung getragen, ab und zu brauchst du dann eine Auszeit, um durchzuatmen und Abstand zum Volleyball zu bekommen.“
Kraft tankt Georg Grozer bei seiner Familie und mit Freunden. „Meine Familie ist mein Ankerpunkt.“ Mit seinen Töchtern Leana und Loreen, die schon in seine Fußstapfen treten, fiebert er bei jedem Spiel mit und scheut auch keine weiten Reisen. Als Leana Grozer 2022 mit der U17 bei der EM um Bronze kämpfte, nahm er sich früh morgens von einer Party kommend einen Chauffeur, der ihn von Budapest zum Spiel in Tschechien brachte – eine rund fünfstündige Fahrt. „Wenn ich kann, würde ich nie ein Spiel von Leana und Loreen verpassen“, sagt Grozer. Die jüngere Tochter Loreen Grozer wurde kürzlich erstmals zur U16 Nationalmannschaft eingeladen. „Ich bin sehr glücklich, langsam schließt sich der Kreis, dass wir alle mal als Sportler in Kienbaum waren“, sagt der stolze Vater.
Neben der Familie legt der 39-Jährige viel Wert auf seine Freunde. Als er noch in Moers lebte, hat er jeden Sommer eine Olympiade organisiert. Von Freitag bis Sonntag kämpfte er mit Freunden und Familienmitgliedern in Disziplinen wie Gokart, Minigolf, Luftwaffenschießen, Nagelhauen, Basketball, Pokern und Spielen von Stefan Raab um den begehrten Wanderpokal – der Grozer in all den Jahren verwehrt blieb. „Ich wollte die Trophäe unbedingt mal haben, aber es hat nie geklappt“, gibt der ehrgeizige Ausnahmeathlet zu. Er hat aber auch direkt eine Erklärung parat: „Die Hälfte der Sachen hat nichts mit Sport zu tun.“
Als Grozer aus Moers wegzog, verflog zunächst auch die Olympiade. Doch ganz ohne Wettkampf geht es im Hause Grozer natürlich nicht. Daher kommen nun sein Bruder und zwei Freunde mit einem Koffer voll Brettspiele zu ihm, wenn er eine Woche ohne oder nur einem Spiel hat. „Dann machen wir eine Meisterschaft und zocken in jeder freien Minute, manchmal bis fünf Uhr morgens und beim Frühstück geht’s direkt weiter“, erzählt Grozer.
Um alle seine Freunde zu sehen, veranstaltet der in Budapest lebende Profisportler jeden Sommer eine große Gartenparty übers ganze Wochenende. In diesem Jahr war es jedoch eine ganz besondere Feier, denn Grozer heiratete seine langjährige Freundin Helena Havelková. Die Planungen waren eine Herausforderung: Grozer spielte die letzte Saison in der Türkei, seine tschechische Frau in Puerto Rico, im Sommer sind beide mit der Nationalmannschaft unterwegs und die Kinderplanung läuft auch schon auf Hochtouren. Der einzige mögliche Zeitpunkt für die Hochzeit: Während der VNL-Finals.
Hätte sich Deutschland qualifiziert, hätte die ganze Mannschaft bei der Feier gefehlt. „Das wäre das Schlimmste gewesen, aber wir haben es gewagt“, berichtet Grozer und schwärmt: „Es waren zwei unglaubliche Tage, es war eine super Hochzeit.“ Dem Top-Angreifer der DVV-Männer war es enorm wichtig, dass sein Team bei diesem wichtigen Event dabei war. „Wir sind eine Familie und konnten so vor Olympia noch einmal die Sau rauslassen – das hat uns nochmal zusammengeschweißt“, sagt der 39-Jährige.
Grozer ist der alte Hase im Team. „Ich bin der Opa“, sagt er selbst lachend. Während er es im Privatleben er ruhig und harmonisch mag, explodiert er auf dem Feld. „Ich bin immer voller Emotionen, für mich zählt jeder Ball“, sagt der Weltklassespieler. Die Jungs hätten Respekt vor ihm und nehmen seine Ratschläge dankend an. „Ich versuche sie zu pushen, wo ich kann“, sagt Grozer.
Eine besondere Verbindung hat er mit seinem langjährigen Freund und Zuspieler Lukas Kampa. „Ich bekomme Gänsehaut, wenn ich darüber nachdenke, wie lange wir uns kennen und was wir gemeinsam für Wege gegangen sind, wir waren immer auf einer Wellenlänge, privat und beim Volleyball“, sagt der gebürtige Ungar. Sie hätten so viele Hürden gemeistert, zusammen geweint und große Erfolge gefeiert. „Wir haben eine ganz besondere Verbindung“, sagt Grozer. Und gemeinsam haben sie einen letzten Traum: Eine Medaille bei den Spielen in Paris.