Es muss knallen

Foto Dirk Westphal Foto Dirk Westphal Dirk Westphal ist der erste deutsche Profi, der vor der Saison den Sprung in den Iran gewagt und für mindestens eine Saison bei Shahrdari Tabriz unterschrieben hat. In seinem Blog berichtet er in regelmäßigen Abständen auf unserer Seite von seinem Leben in einem unbekannten Land. Im dritten Teil geht es um die Marschrichtung im Angriff und verpönte Ableger.

Es ist nicht leicht, die iranische Superleague mit europäischen Ligen zu vergleichen. Vieles ist hier anders. Was sofort ins Auge sticht: wenn man sich ein beliebiges Spiel anschaut, stellt man schnell fest, dass gnadenlos auf den Ball geprügelt wird, was auch an den Spielern liegt. Die meisten Iraner ähneln mehr einem kräftigen 50m Schmetterlings-Schwimmer als einem Volleyballer. Ein ganz breites Kreuz, aber je weiter man nach unten geht, desto weniger Muskelmasse ist zu finden. Irgendwie wird Volleyball wie Gewichtheben ausgeübt. Je mehr Kraft man anwendet, desto wahrscheinlicher ist es, dass man gewinnt. So zu mindestens vermittelt es unser Trainer.

 

Foto Dirk Westphal: Ein Besuch an der Kaffeebar mit Teamkollegen. 

Ich bin noch nicht lange im Iran, aber es wird schnell klar, welche Vorstellungen man hier vom Volleyball hat. Da ich ja eigentlich nicht dafür bekannt bin, einen besonders harten Schlag zu haben und besonders hoch zu springen, versuche ich im Training, den Punkt anders zu machen. Einen Roll-Shot hier, einen Ableger da und ab und zu gehe ich auch mal hart durch. Da aber vier von fünf Ablegern auf den Boden fallen, bediene ich mich weiter diesem Mittel. Zwar fragt mich nach jedem Ableger der Zuspieler, was mit dem Pass nicht gestimmt hat, aber ich lasse mich nicht beirren und spiele meinen Stiefel weiter.

Doch es dauert nicht lange, bis der Trainier auf mich zukommt und fragt, was mit mir los sei, ob es mir nicht gut gehe oder ob ich irgendwo Schmerzen hätte. Ich verneine seine Fragen und schaue ihn verwundert an. Auf die Frage, warum er das denken würde, bekomme ich nur die Antwort, weil ich nicht hart angreife. Mein Argument, dass mehr als 50% meiner Ableger Punkte sind, wird von ihm  gekonnt ignoriert und er verweist darauf, dass ich doch bitte hart schlagen solle. Ich tue ihm den Gefallen, mit dem Wissen, dass die gegnerische Abwehr hinter der Grundlinie steht, um die Blockabpraller einzusammeln.

Foto Dirk Westphal: Dirk am Urmiasee, dem größten Salzsee im Iran (Fläche 10x größer als der Bodensee).

Da ich ein sehr anpassungsfähiger Mensch bin, ziehe ich jeden Ball auf die Fingerkuppen des Blockspielers. Von den Coaches ernte ich seitdem des Öfteren ein zustimmendes Kopfnicken, einen hochgestreckten Daumen oder ein freundlichen Augenzwinkern. Der Umstand, dass ich kaum noch Punkte mache, ist nebensächlich. Es muss halt knallen und alle sind zufrieden. Alles andere wird als grobe Unsportlichkeit gewertet. Ableger, wer macht denn sowas.

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