„Ich bin von der Entwicklung sehr angetan“ – Christian Dünnes im Interview

Foto Bonnie Bartusch Foto Bonnie Bartusch Am Freitag starten die Schmetterlinge mit dem Spiel gegen die Schweiz (14:30 Uhr, live im Free-TV auf SPORT1) in die Europameisterschaft. Christian Dünnes, Sportdirektor Volleyball im Deutschen Volleyball-Verband (DVV), wirft im Vorfeld einen Blick auf das Saison-Highlight und spricht über die Chancen des deutschen Teams.

Herr Dünnes, am Freitag startet die größte Europameisterschaft der bisherigen Geschichte. Wie sehen Sie die Aufstockung von 16 auf 24 Teams?

„Ich sehe es positiv, weil sich dadurch auch die EM-Qualifikation verändert hat. So haben sich bei der letzten EM gleich acht Teams direkt für das Turnier 2019 qualifiziert. Dadurch wurde für uns der internationale und sehr dichte Spielkalender noch einmal entzerrt. Kehrseite der Medaille ist die Anzahl der Ausrichter. Es stehen viele Reisen auf dem Plan und es kann durchaus passieren, dass man vor dem letzten Spiel in der Vorrunde das Ziel für die K.o.-Runde noch gar nicht kennt.“

SPORT1 zeigt die WM-live im Free-TV. In der Vorrunde werden alle deutschen Spiele sowie sieben nichtdeutsche Spiele übertragen. Wie wichtig ist diese Entwicklung für den Volleyball?

„Es ist ein extrem wichtiger Punkt, dass die deutschen Spiele live im Free-TV zu sehen sind, mittlerweile aber auch Partien ohne deutsche Beteiligung den Weg ins TV gefunden haben. Nur über eine öffentliche Wahrnehmung können wir in Zukunft auch im Nachwuchs Fortschritte machen. Dies ist in Teilen auch ein wichtiger Faktor, den man nicht unterschätzen darf. Daher ist die Entwicklung in den letzten Jahren, auch in der Volleyball Bundesliga, ein großer Schritt.“

Übertragungen Vorrunde FREE-TV SPORT1

Fr, 23. Aug 14:30 Uhr Deutschland Schweiz
Fr, 23. Aug 17:00 Uhr Weißrussland Russland
Fr, 23. Aug 20:00 Uhr Slowakei Spanien
Sa, 24. Aug 17:30 Uhr Deutschland Spanien
Sa, 24. Aug 18:30 Uhr Türkei Finnland
So, 25. Aug 17:30 Uhr Spanien Weißrussland
So, 25. Aug 20:30 Uhr Ukraine Italien
Mo, 26. Aug 17:30 Uhr Deutschland Russland
Mo, 26. Aug 20:30 Uhr Polen Ukraine
Di, 27. Aug 20:00 Uhr Deutschland Slowakei
Mi, 28. Aug 17:30 Uhr Russland Spanien
Mi, 28. Aug 20:00 Uhr Deutschland Weißrussland

Wie haben Sie die Entwicklung des deutschen Teams in dieser Saison wahrgenommen?

„Ich bin von der Entwicklung sehr angetan. Wir haben eine sehr gute Volleyball Nations League gespielt und haben uns nach einem holprigen Start sogar noch die Chance auf das Erreichen des Finalturniers erarbeitet. Die Mannschaft hat sich sowohl individuell als auch als Team gegenüber dem letzten Jahr weiterentwickelt. Hierbei hat sicherlich auch die Teilnahme der deutschen Teams in der Champions League beigetragen. In der Breite sind wir wirklich gut aufgestellt, was Bundestrainer Felix Koslowski mehr taktische Wechselmöglichkeiten gibt.“

Deutschland hat mit einem Durschnittsalter von 23,7 Jahren einen sehr jungen Kader. Fehlt es zu sehr an Erfahrung im Team?

„Es ist ohne Zweifel eine sehr junge Mannschaft, was ich grundsätzlich für kein Problem halte. Wir haben in der Volleyball Nations League 15 Spiele auf Top-Niveau bestritten und viel gelernt. Von Nachteil ist lediglich, dass die jetzige Stammformation auf dem Niveau noch nicht viele Spiele bestritten hat. Camilla Weitzel stand uns in der Volleyball Nations League aufgrund ihres Abiturabschlusses noch nicht zu Verfügung, mit Hanna Orthmann fehlt eine Außenangreiferin verletzt und Lenka Dürr ist zurückgetreten. Dadurch fehlt uns eher Erfahrung, in dieser Aufstellung zu spielen.“

Wie könnte man dies kompensieren?

„Aus meiner Sicht mit der Qualität, die wir trotzdem haben. Wichtige Faktoren sind der Teamgeist und unbedingte Wille, den Deutschland immer wieder auf das Feld bringen kann.“

Foto Conny Kurth: Camilla Weitzel gehört mit 19 Jahren bereits zur Stammformation. Foto Conny Kurth: Camilla Weitzel gehört mit 19 Jahren bereits zur Stammformation.

Zuletzt hat man bei der Olympia-Qualifikation gezeigt, dass man auch mit der Weltspitze mithalten kann. Was muss aber noch passieren, damit man gegen die Weltspitze auch ein Spiel gewinnt?

„Wir müssen noch lernen, uns in engen Spielen durchzusetzen. Das ist der nächste Schritt, den wir jetzt machen können und müssen. Ich denke, dass wir mittlerweile auch genug Spielerinnen haben, die sich in solchen Situationen durchsetzen können. Ich denke da an Louisa Lippmann oder Denise Hanke, die jahrelang auf dem Niveau spielen und gewachsen sind.“

Was ist für die Schmetterlinge möglich?

„Der Gruppensieg wird sicherlich sehr schwierig, aber ist keinesfalls unmöglich. Russland ist dennoch der Favorit, aber wir wollen den zweiten Platz erreichen. Im Achtelfinale könnten mit Polen und Belgien zwei Teams warten, die eine sehr gute Saison spielen. Wir sind also gewarnt – egal gegen wen wir spielen. Wir können und wollen uns aber durchsetzen.“

Was muss passieren, damit wir wieder ein EM-Märchen wie 2011 oder 2013 erleben?

„In dem Fall müssten alle Spielerinnen ihr absolutes Leistungsmaximum erreichen und wir müssen als Team noch eine Schippe drauflegen. Der Teamspirit spielt dabei eine große Rolle. Das war aber – neben der größeren Erfahrung  – auch 2011 und 2013 das Geheimnis der deutschen Mannschaft. Ich denke, dann ist einiges möglich. Ob es dann für das EM-Finale reicht, möchte ich nicht vorhersagen.“

Foto Conny Kurth: 2013 gewann Deutschland bei der Heim-EM Silber. Foto Conny Kurth: 2013 gewann Deutschland bei der Heim-EM Silber.

Welche Teams sehen Sie insgesamt bei den Frauen als Titelanwärter?

„Weltmeister Serbien sehe ich in dem Fall ganz vorn. Aber natürlich auch Teams wie Italien, die Niederlande, Russland oder die Türkei. Polen hat sich in den letzten Jahren auch sehr stark entwickelt. Insgesamt sind es alles Teams, die im Final-Six der Volleyball Nations League gestanden haben und ausnahmslos Top-Teams sind. In Europa herrscht eine extrem hohe Leistungsdichte und ist in der Breite qualitativ sehr gut aufgestellt.“

Wie hat sich der Frauen-Volleyball generell in den letzten Jahren verändert?

„Der Volleyball der Frauen passt sich dem Männer-Volleyball sehr stark an. Im Moment geht die Entwicklung dahin, dass viel schneller gespielt wird. Gerade im physischen Bereich werden die Teams immer stärker. Man sieht, dass Liberas immer mehr als zweite Zuspielerin eingesetzt werden und sie in beide Richtungen zuspielen. Wo sich der Frauen-Volleyball im Moment deutlich vom Männer-Volleyball absetzt, ist die Entwicklung in Asien. Hier hat der Frauen-Volleyball in der Popularität einen deutlichen Vorsprung und wächst – auch durch große mediale Unterstützung – immer weiter.“

EM-Kader

Name Position Verein Alter EM-Teilnahmen
Lina Alsmeier Universal USC Münster 19
Linda Bock Libera USC Münster 19
Kimberly Drewniok Diagonal SSC Palmberg Schwerin 22
Jennifer Geerties Außenangriff Imoco Volley Conegliano 25 3
Lisa Gründing Mittelblock SC Potsdam 27 1
Denise Hanke Zuspiel SSC Palmberg Schwerin 29 2
Pia Kästner Zuspiel Allianz MTV Stuttgart 21
Louisa Lippmann Diagonalangriff Shanghai 24 1
Anna Pogany Libera SSC Palmberg Schwerin 25 1
Jana-Franziska Poll Außenangriff LiB Aachen 31 2
Marie Schölzel Mittelblock SSC Palmberg Schwerin 22 1
Lena Stigrot Außenangriff Dresdner SC 24 2
Ivana Vanjak Universal USC Münster 24
Camilla Weitzel Mittelblock Dresdner SC 19
Ø 23,7 Ø 0,92
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