"In der Spitze sind sie das beste Team!"

Foto beach-inside.de/Nils Köpke: Kira Walkenhorst und ihr großer Bruder Alexander Walkenhorst. Foto beach-inside.de/Nils Köpke: Kira Walkenhorst und ihr großer Bruder Alexander Walkenhorst. Wohl kaum einer kennt Beach-Volleyball Nationalspielerin Kira Walkenhorst (25 Jahre) so gut wie ihr zwei Jahre älterer Bruder Alexander „Alex“ Walkenhorst. Zumal er selber auf der World Tour aktiv ist. Während „Alex“ jedoch die Teilnahme an Rio de Janeiro 2016 verpasste, gilt Kira mit ihrer Partnerin Laura Ludwig zu den Medaillenkandidatinnen. Wie sie tickt, was er ihr zutraut, wie die Bruder-Schwester-Beziehung ist und mehr verrät er im Interview.

„Ich bin ein richtig schlechter Verlierer, aber Kira ist unerreicht."

Alexander Walkenhorst

Foto FIVB: Am Netz dank ihrer Athletik und langen Arme eine Macht: Kira Walkenhorst.
Foto FIVB: Am Netz dank ihrer Athletik und langen Arme eine Macht: Kira Walkenhorst.

Wie seid ihr zum Volleyball gekommen?
A. Walkenhorst: „Da müsstest du eigentlich meinen Vater fragen. Bis zu meiner Geburt hat mein Vater beim Moerser SC gespielt mit Grozer senior zusammen. Danach hat er noch ein Jahr in der 1. Bundesliga gespielt, dann hat er aufgehört. Er war Spielertrainer in der Regionalliga und hat uns in die Halle mitgenommen. Als ich sechs Jahre war, war er mein erster Trainer, so kam es dazu.“

Das Körperliche kommt dann von ihm?
A. Walkenhorst: „Ja, das stimmt. Mein Vater ist 1,96 Meter, meine Mutter auch 1,80 Meter. Aber dass ich 2,06 Meter bin, Kira 1,85 Meter und meine zweite Schwester Pia 1,94 Meter war nicht abzusehen. Der Vorteil war, dass wir alle sehr früh angefangen haben – alle so mit sechs Jahren, quasi mit Schulbeginn.“

Wie muss man sich heute Familientreffen bei den Walkenhorsts vorstellen? Volleyball, Volleyball, Volleyball?
A. Walkenhorst: „Einmal im Jahr schaffen wir es, uns über Weihnachten zu treffen. Da ist der erste Tag schon viel über Volleyball, aber dann kommen auch viele Sprüche und es wird sich gegenseitig auf den Arm genommen. Dann versuchen wir es aber auch schnell zu beenden, weil mein Vater das schon noch ein bisschen versteht, aber eben auch zum Teil veraltete Ansichten aus dem Volleyball hat. Und meine Mutter ist die Unwissende und die Fragerei nervt dann doch manchmal wie „Ich verstehe nicht, wie man so viele Aufschlagfehler macht!“

Was zeichnet Kira volleyballerisch aus?
A. Walkenhorst: „Erst einmal ist sie mit einer Physis gesegnet und langen Armen. Zudem hat sie einen unfassbaren Biss und dass sie es wertschätzen kann, auf diesem Niveau spielen zu können, weil sie ja früh oft verletzt war. Das unterscheidet sie von anderen.“

Welche Schwächen hat sie?
A. Walkenhorst: „Ich glaube, das ist ihr hoher Selbstanspruch. Zweiter war bei uns immer erster Verlierer! Und das alles zu relativieren und einzusehen, dass man selber nicht immer 100 Prozent abrufen kann oder auch der Gegner mal 110 Prozent spielen kann und es nicht immer reicht, das muss man lernen. Aber da arbeitet sie gut dran.“

Ist ihr Körper noch eine Schwäche?
A. Walkenhorst: „Ich hatte sie im Februar in der Halle das erste Mal wiedergesehen in Düsseldorf, da habe ich sie so fit gesehen wie noch nie. Ich hatte das Gefühl, dass sie sehr komfortabel ist und sicher in ihren Bewegungsausführungen, und als ich sie jetzt nochmals gesehen habe, ist sie so stark wie nie. Sie macht sich keine Sorgen um ihren Körper und das ist natürlich befreiend, weil sie hat ja schon alles doppelt und dreifach durch hatte.“

Was hat sie ihrem Bruder voraus? Was könnte sie von ihrem Bruder annehmen?
A. Walkenhorst: „Voraus hat sie erst einmal zig FIVB-Medaillen und EM-Siege. Sie hat ein Alleinstellungsmerkmal in der Physis, was ich im Männerbereich aufgrund der Entwicklung dort nicht habe. Was sie lernen könnte: Sie müsste sich auch mal eingestehen, dass auch der Gegner etwas Gutes kann, sonst wären das nicht die weltbesten Spielerinnen mit denen sie sich Woche für Woche misst. Ich glaube, diese Gelassenheit müsste sie sich aneignen, weil das auch Kräfte spart, die dann im nächsten Spiel helfen. Ich kann Niederlagen schneller abhaken, meine On-off Taste ist ausgeprägter als bei ihr. Aber ich versuche ihr, da auch zu helfen.“

Du lässt die Emotionen raus, bei Kira ist es nicht der Fall. Frisst sie die Emotionen in sich rein?
A. Walkenhorst: „Sie haben gute Mittel und Wege mit ihrer Mentaltrainerin gefunden. Sie macht sehr viel mit sich selber aus, das stimmt und sie muss auch im Tunnel sein. Das heißt aber nicht, dass sie ihre Emotionen nicht verarbeitet. Sie haben sich kleine Stopp-Schilder im mentalen Bereich angeeignet, wenn man sie kennt, weiß man, wie es ihr aktuell geht. Aber die verrate ich nicht.“

Wer kann besser verlieren?
A. Walkenhorst: „Ich bin ein richtig schlechter Verlierer, aber Kira ist unerreicht. Die Frau kann einfach nicht verlieren. Das liegt in der Familie, aber Kira ist die Schlimmste. Sie greift dann auch zu allen Mitteln. Bevor sie verliert, schummelt sie oder räumt aus Versehen das Brettspiel ab. Da geht sie zur Not über Leichen… Zu Weihnachten spielen wir immer Siedler von Catan, aber das geht immer in die Hose. Und das hat nichts mit Provokation zu tun, sondern nur, weil sie nicht verlieren kann!“

Wie ist der Umgang miteinander, ihr seid viel gemeinsam unterwegs? Gibt es gemeinsame Trainingseinheiten, Tipps?
A. Walkenhorst: „Tipps eigentlich nicht, weil die Sportarten zu unterschiedlich sind. Es geht eher darum, die Sachen zu verarbeiten. Wir lassen es uns nicht nehmen, gemeinsam essen zu gehen und unter uns zu sein und uns einfach zu unterhalten. Das ist ein Bonus, den man nicht unterschätzen sollte. Das habe ich gemerkt, als sie mit Pfeifferschem Drüsenfieber ausgefallen ist und sie jetzt, als ich eine Zeit lang nicht international gespielt habe. Da hat definitiv etwas gefehlt. Das tut schon gut und es ist ein Vorteil für uns, den kein anderes Team hat. Kein Trainer und kein Umfeld kann das Familienmitglied vor Ort ersetzen.“

Also eine gute Bruder-Schwester Beziehung?
A. Walkenhorst: „Ja, definitiv. Das hat sich in den letzten Jahren entwickelt. Meine Schwester war ja mit 14 Jahren auf dem Volleyball-Internat in Berlin, und da haben wir uns aus den Augen verloren und verschiedene Richtungen eingeschlagen und Ansichten entwickelt. Die haben wir auch immer noch, aber das akzeptieren wir wie der andere tickt und helfen uns gegenseitig.“

Bist du neidisch auf Sie?
A. Walkenhorst: „Ich war eine Zeit lang neidisch. Als sie in den Beach-Volleyball kam, war ich vermeintlich weiter und hatte schon sechs, sieben Siege auf der deutschen Tour, dann standen wir erstmals gemeinsam auf dem Treppchen – so hat es angefangen. Dann ging es bei ihr sehr schnell und was dann nervt, sorry: sie ist immer noch meine Schwester und ich bin nicht ihr Bruder. Ich wiege das Doppelte und wenn es hart auf hart kommt, dann bin ich immer noch der stärkere Bruder und dann ist Feierabend (lacht). Ich bin Null neidisch und habe großen Respekt davor, wie sie sich nach jedem Beinschuss, es waren ja eher Kopfschüsse von ihrem Körper, immer wieder aufgerafft hat. Es ist toll, sie dabei zu haben.“

Also bist du auch stolz auf Sie?
A. Walkenhorst: „100%ig, ohne Frage. Umgekehrt würde sie das wohl auch sagen, obwohl ich ja eigentlich noch nichts gewonnen habe. Da schätzen wir uns beide sehr. Und wenn sie ganz ehrlich ist, hat sie oft und lange versucht, mich zu kopieren und mich als Vorbild zu nehmen und dadurch einen Ansporn gehabt. Das hat in jungen Jahren angefangen, als wir im Garten Fußball gespielt haben, und ich mich als Zehnjähriger gegen die achtjährige Schwester natürlich als König gefühlt habe. Aber da wollte sie trotzdem nicht verlieren.“

Was traust du ihr in Rio zu?
A. Walkenhorst: „Wenn man rein nüchtern an die Sache rangeht: Sie haben schon alle Top-Teams geschlagen und haben aufgrund des Umfeldes und des Trainerteams definitiv die Chance, ganz oben zu landen. Dann kommt natürlich die Komponente Olympia dazu, die kann ich selber ja leider auch nicht beantworten, aber das scheint ja ein komplexes Thema zu sein. Ich sage mal so: Wenn ich es einer Person zutraue, gleich bei den ersten Olympischen Spielen durchzustarten, dann meiner Schwester! Weil sie sich von Spiel zu Spiel auf die Aufgabe konzentriert, und das abliefert, was sie an PS auf die Straße bringen kann. Und wenn sie im Halbfinale sind, gewinnen sie das Ding auch. Ich habe nicht das Gefühl, dass sie dann gegen jemanden verlieren könnten. Die Amis sind gefährlich, aber die Brasilianerinnen können sie auch vor eigenem Publikum kontrollieren. Und ich glaube nicht, dass es ein anderes europäisches Team schafft. Laura und Kira haben bewiesen, dass sie in der Spitze das beste Team sind!“

Bist du in Rio vor Ort oder dienst du als Telefonjoker?
A. Walkenhorst: „Telefonjoker bin ich immer, den Deal haben wir. Aber ich werde nicht vor Ort sein, es gibt genügend Baustellen, und je weniger es gibt, desto besser ist es. Deshalb gucke ich es mir im Fernsehen an.“

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